Aus einfachen Verhältnissen
Ungewöhnliche Lebenswege im preußischen Minden
Schwere Zeiten
Aus dem Tagebuch eines einfachen Bauernsohns
Wir schreiben die Zeit um 1742. Es ist das Jahr, in dem Fritz Kröger geboren wird. Als eines von fünf Kindern einer einfachen Rahdener Bauernfamilie ist sein Lebensweg eigentlich vorgezeichnet. Denn die Preußen haben das strategisch günstig gelegene Minden militärisch besetzt und zur Festungsstadt gemacht. Der Adel hat das Sagen. Und auch der Klerus bestimmt über Wohl und Wehe der Bürger. Immer wieder kommt es zu sozialen Spannungen zwischen den Soldaten und der ländlichen Bevölkerung, die weitgehend in Armut lebt. So verdienen auch die Krögers mit der Verarbeitung von Flachs kaum genug Geld, dass es zum Leben reicht. Bildung ist und bleibt ein Privileg der Reichen.
Dennoch schafft es Fritz trotz der widrigen Umstände vom einfachen Bauernsohn zum Schreiber der königlichen Regierung in Minden, und er beginnt Tagebuch über seine Erlebnisse zu schreiben. Lernen Sie die Familiengeschichte der Krögers kennen und machen Sie sich selbst auf die Suche nach preußischen Spuren in Westfalen, die noch heute sichtbar sind.
Sozialer Aufstieg (Video)
Der Weg aus dem Leben in Armut
Dass Fritz Kröger im Alter von 15 Jahren doch noch zur Schule gehen darf, ist Mitte des 18. Jahrhunderts wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Denn Fritz und seine Geschwister wachsen in bäuerlichen Verhältnissen auf, während das Land unter preußischen Regiment steht. Den Kindern steht ein Leben in Armut und Abhängigkeit bevor. Wären da nicht wohlmeinende Menschen, die Fritz‘ Einfallsreichtum sowie die Klugheit und den Fleiß seiner Schwester Grete erkennen und den beiden den sozialen Aufstieg ermöglichen.
Während sich ihr jüngster Bruder Heinrich dem preußischen Militär als Knecht anschließt und für immer verschollen bleibt, bekommt Fritz auf Schloss Petershagen zunächst eine Anstellung als Mitarbeiter des Kanzleibeamten der Kriegs- und Domänenkammer Minden-Ravensberg. Am Ende schafft er es sogar bis zum Schreiber der Regierung. Und auch Grete findet eine Anstellung. Im adeligen, freiweltlichen Damenstift in Levern arbeitet sie als Magd, heiratet später den Sekretär des Probstes und verbringt hier glückliche Jahre als Hausfrau und Mutter.
Die Stiftsdamen von Levern
Im 13. Jahrhundert als Zisterzienserinnenkloster gegründet, wird Levern während der Reformationszeit in ein freiweltliches, adeliges Damenstift umgewandelt. Das Stift ist ein wichtiger Abnehmer für das Leinen der Familie Kröger. Und so kommt es, dass die Damen die junge Grete kennenlernen und das Mädchen zu sich holen wollen. Ihr Vater erkennt die Chance, die sich seiner Tochter hier bietet, und willigt ein. Denn im Damenstift ist es warm und sauber, und die Arbeit als Magd ist angenehm und gesellig. Als später Jérome Bonaparte König des Königreichs Westphalen wird, lässt er das Damenstift auflösen. Die Stiftskirche, in der Grete einst den Sekretär des Probstes heiratete, und die Klosterkirche werden im Jahr 1827 baulich zu einer Doppelkirche vereint. Diese bildet noch heute das Zentrum des historischen Kloster- und Stiftsortes Levern mit vielen gut erhaltenen Fachwerkhäusern. Besucher können ihn bei einer Erlebnisführung erkunden und begegnen dabei auch „Zeitzeugen“ wie Henriette Davidis, die als erste Kochbuchautorin Deutschlands in die Annalen einging.
Mehr erfahrenDas Projekt Storytellung wurde gefördert durch durch Mittel der EU und des Landes NRW.